Beim Mobilitätsausschuss der Stadt Lüneburg am 31. März 2022 (mehr) ging es um ein neues Buskonzept für die Innenstadt Lüneburg. Im Anschluss wurde deutliche Kritik an diesem Konzept laut. Zu den im Anschluss vorgelegten Varianten hier die Stellungnahme von FUSS e.V. Lüneburg.
Der ursprüngliche Plan sah vor, dass künftig keine Busse mehr die Altstadt queren sollten. Der Busverkehr sollte vom ZOB aus einheitlich der Route über den Stadtring folgen: Am Schifferwall – Reichenbachplatz – Bürgeramt – Markt.
Damit verbunden sind umfangreiche Änderungen bei verschiedenen Linien. Die Innenstadt würde deutlich schlechter erreichbar für den öffentlichen Verkehr.
Einwände und Kritik: Landkreis legt alternative Varianten vor
Aufgrund von Einwendungen von verschiedener Seite (Behindertenbeirat, Lüneburg Barrierefrei, FUSS e.V., Seniorenbeiräte) stellte der Landkreis Lüneburg bei einer Online-Konferenz des Landkreises am 1. Juni 2022 Varianten zu dem Konzept vor. Hier die Stellungnahme von FUSS e.V. Lüneburg zu den Alternativvorschlägen.
FUSS e.V. Lüneburg: Variante 3 mit deutlichen Verbesserungen
Varianten 1 und 2 sind - wie bei der Online-Konferenz am 1. Juni 2022 besprochen - nicht akzeptabel und würden für Fahrgäste mit dem Fahrtziel Innenstadt erhebliche Verschlechterungen mit sich bringen.
- Variante 3 sieht den Linienbeginn für alle Busse Am Sande vor. Dadurch gibt es bei der Rückfahrt kein Umsteigen und keine Wartezeiten. Damit bleibt diese zentrale und wichtige Haltestelle (Ärzte, Apotheke, Fachgeschäfte) für Zu- und Abfahrt erhalten.
- Der Vorschlag, eine eigene Buslinie 5008 zum Kreideberg einzurichten, scheint sehr sinnvoll.
- Sinnvoll scheint auch die Zusammenlegung der Linien 5014 und 5019. Zu fragen wäre, ob Wendisch Evern nicht generell Endstation sein und damit ebenfalls im 30-Minuten-Takt angebunden sein könnte.
Ergänzende Hinweise
- Anzustreben ist eine zuverlässige, regelmäßige Anbindung auch der nördlichen Innenstadt mit direktem Zugang zu den Zielen Marktplatz und Karstadt. Das sichert die Teilhabe, die Attraktivität des Busverkehrs, stärkt den Innenstadthandel und dient der Entlastung vom Parkverkehr.
- Bei den Haltestellen in der Innenstadt ist ganz besonders auf Barrierefreiheit zu achten. Nötige Baumaßnahmen sollten hier priorisiert werden.
- Um Entscheidungen zum Busverkehr künftig besser vorbereiten - und mittragen - zu können, schlagen wir die Einrichtung eines Fahrgastbeirats vor. Solche Fahrgastbeiräte gibt es inzwischen in vielen Städten Deutschlands, sie haben sich dort bewährt.
Grundsätzliche Erwägungen und Vorschläge
- Klimakrise: Busverkehr attraktiver machen als Alternative zum Privat-Pkw
Laut CO2-Bilanz hat der Verkehr bisher kaum zur Einsparung von Klimagasen beigetragen. Der Entscheidung des Rates, bis 2030 klimaneutral zu werden, müssen Taten folgen. D.h. Bus-, Rad- und Fußverkehr sind gefordert, zeitnah möglichst viele Autofahrten zu ersetzen. Dafür müssen sie attraktiv sein.
- Demografische Entwicklung: Busverkehr für Ältere gut zugänglich machen
Das Demographie-Gutachten für den Landkreis Lüneburg (2018) weist auf auf einen hohen Bevölkerungsanstieg durch Zuzüge hin, der sich bis 2035 fortsetzt. Die demografische Entwicklung führt gleichzeitig zu einer "markanten Zunahme der älteren Bevölkerung" (S. 113). Künftig werden also mehr und vor allem mehr ältere Menschen unterwegs sein
Für diese muss das ÖPNV-Netz weiter optimiert werden, verbunden mit altersgerechter Gestaltung (S. 125-126).
- Innenstadt für den öffentlichen Verkehr gut zugänglich machen
Ein Konzept, das die Innenstadt vom Busverkehr "befreien" will, sieht über die Menschen hinweg, die dort mit dem Bus ankommen möchten. Das widerspricht dem Grundrecht auf Inklusion und ist nicht im Sinne von Handel und Stadtentwicklung. Grundsätzlich sollten wichtige Ziele in der Innenstadt mit öffentlichen Verkehrsmitteln sehr gut erreichbar sein.
- Push-Out-Faktoren - Umsteigen und lange Wege zu den Haltestellen - abbauen
Der ÖV ist attraktiv, wenn ich Haltestellen und Ziel gut erreiche, wenn Fahrzeit und Preis angemessen und die Busse komfortabel sind.
- Lange Wege zu den Haltestellen, Umsteigen und Wartezeiten gelten als "Push-Out-Faktoren", d.h. da nimmt man lieber das Auto. Das ist durch Untersuchungen belegt.
- Umsteigen mit Kinderwagen, Rollator und Rollstuhl ist zudem immer behaftet mit Stress und dem Risiko, nicht mitgenommen zu werden.
- Maßnahmen zur Busbeschleunigung umsetzen
Maßnahmen zur Busbeschleunigung wie Busspuren und Ampelvorrangschaltungen sollten zeitnah umgesetzt werden. Pkw-Parken im Kreuzungsbereich von Busrouten sollte durch Aufstellen von Fahrradständern unterbunden werden.
- Barrierefreiheit umsetzen
Das Personenbeförderungsgesetz (PBefG) sieht die vollständige Barrierefreiheit des ÖPNV ab dem 01.01.2022 vor. Im Landkreis und in der Hansestadt ist diese Vorgabe noch nicht umgesetzt. Hier sind dringend Verbesserungen nötig.
- Fahrzeugpark auf alternative Antriebe umstellen
Ggf. noch vorhandene Dieselbusse sollten zügig durch moderne Fahrzeuge mit alternativen Antrieben ersetzt werden.
- Öffentlicher Verkehr: Evaluation und Anpassung an aktuelle Herausforderungen vornehmen
Das Busnetz Lüneburg hat Lücken und Überschneidungen. Laut dem 4. Nahverkehrsplan Landkreis Lüneburg 2018-2023 wurden als Ziele formuliert (S. 73-75):
- stärkere Vereinheitlichung und klarere Strukturierung des Liniennetzes
- Umsetzung eines einheitlichen Taktrasters auf allen Stadtbuslinien
- Schließen von Angebotslücken, Ausweitung des Angebots am Wochenende
- Verbesserung der Vertaktung auch mit Regionalbussen.
Der ÖV soll Träger für eine Verkehrswende werden und ist durch die demografische Entwicklung gefordert. Angesichts dieser Herausforderungen regen wir an, in Vorbereitung für den 5. Nahverkehrsplan eine umfassende Evaluation der bisherigen Maßnahmen durch ein beauftragtes externes Büro durchführen zu lassen sowie - in Ergänzung - Vorschläge für die Weiterentwicklung zu erarbeiten.
Dabei sollte insbesondere berücksichtigt werden: Steigende Anforderungen an den ÖV aufgrund von Klimakrise und demografischer Entwicklung, Anbindung der Innenstadt, Bedarfsabdeckung in den Stadtteilen, ökonomische Optimierung von Linienführung und Organisation.
Lüneburg, 7. Juni 2022